In Mikrointervallen beginnen die Töne zu fliegen – bei Skrjabin, Wyschnegradsky und Georg Friedrich Haas. Mario Venzago leitet das Berner Symphonieorchester.
Seine Musik will abheben, will Grenzen überwinden, schöpferisch, mystisch, ekstatisch, übermenschenhaft. Gerade in seiner Tondichtung «Prométhée» hat der Russe Alexander Skrjabin seine harmonischen und klanglichen Visionen umgesetzt. Die Musik lodert feuergleich, ja, Skrjabin wünschte sich dazu sogar ein Licht- und Farbenklavier.
Diese Musik beginnt zu schweben, wie es Ferruccio Busoni damals in seinem «Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst» imaginierte, freilich dachte er dabei an Mikrointervalle. Skrjabin träumte ebenso davon, ohne es zu realisieren; seine Nachfolger in Russland vollzogen den Schritt in die Welt der Mikrotöne, allen voran Ivan Wyschnegradsky, der 1920 nach Paris emigrierte und dort mit Klavieren im Viertel- und Sechsteltonabstand zu experimentieren begann. In seinem Stück «Arc-en-ciel» (auch hier: die Farben) entwarf er so einen völlig neuen Klangraum.
Wyschnegradskys Visionen wiederum regten den Österreicher Georg Friedrich Haas an. Er konfrontierte die sechs Klaviere im Zwölfteltonabstand mit dem grossen Orchesterapparat. Bei seinen «limited approximations» muss sich das Ohr zwar zuerst an die «Verstimmung» gewöhnen, dann jedoch löst es sich von althergebrachten Klangvorstellungen und beginnt mit der Musik zu fliegen.