Per Luigi Nono – con reverenza
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1/1Foto: Grazia Lissi

Ob er es geschätzt hätte, hier als Vertreter einer «rauschenden» Musik zu erscheinen? Wir können ihn nicht mehr fragen. 1990 starb Luigi Nono mit erst 66 Jahren. Gewiss jedoch hätte sich der Komponist und Kommunist dagegen gewehrt, wenn man seine Musik als unreflektierten Sinnenrausch empfunden hätte, aber sinnlich war sie eben doch: schön und kantabel, wie sie vielleicht nur ein Italiener komponieren kann, subtilst im Klanglichen, denn sie richtete sich an unseren Hörsinn – und damit unsere Hörsinnlichkeit: Er wollte durch Nuancen die Aufmerksamkeit anstacheln. «Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken, die Intelligenz, die Exteriorisierung einer äussersten Interiorisierung. Das ist heute das Entscheidende.» sagte er 1983.

In seinen früheren Werken war dies noch getragen von einem revolutionären Impuls. Er ging in die Fabriken und brachte den Arbeitern all die Klänge zu Gehör, die sie umgaben («La fabbrica illuminata», 1964); diese jedoch meinten, die Musik reiche nicht an die Wirklichkeit heran. Hinzu trat in den 70er Jahren die Erkenntnis, dass die Revolutionen des 20. Jahrhunderts gescheitert waren. Das führte ihn hin zum Schweigen, zur Stille. Daraus entstand der Spätstil, beginnend mit dem aussergewöhnlichen Streichquartett «Fragmente – Stille, An Diotima» (1979) bis hin zum grossangelegten, gänzlich untheatralischen Musiktheater «Prometeo», das er im Untertitel eine «tragedia dell’ascolto», eine «Tragödie des Hörens» nannte.

Diese späten Stücke sind weit und vorwiegend leise. Die Stimmen und Instrumentalklänge werden jedoch via Live­Elektronik in den Raum verlängert. Auch dahinter steckt eine persönliche Erfahrung des Venezianers. Er bezog sich dabei auf jene Raummusiken, die schon im 16. Jahrhundert für den Markusdom entwickelt wurden; aber auch auf die vielfältigen Klänge in der Lagune, in denen er sich so heimisch fühlte. «Man hört den Raum. Ich höre die roten und weissen Steine.» Und so tritt zum Rauschen der Klänge und zum Raunen der Texte der Raum. In «Das atmende Klarsein» von 1980/83 findet es eine erste exemplarische Gestalt, geschaffen noch mit «vielen, vielen Zweifeln», wie Nono sagte; ausgehend von den «Duineser Elegien» Rainer Maria Rilkes: Die beiden Worte «Ins Freie» stechen aus der Textcollage hervor. Sie bezeichnen die Öffnung hin auf einen utopischen Raum.

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